Zukunftswerkstatt Blockchain im Bundesgesundheitsministerium: Unser Fazit

Jens Spahn hatte gerufen, und über 100 haben geantwortet – genauer gesagt: 142. Das ist die Anzahl an Blockchain-Ideenskizzen, die Unternehmen, Startups und Forscher beim Bundesministerium für Gesundheit eingereicht haben. Jens Spahn sucht mit seinem Ministerium nach sinnvollen Einsatzmöglichkeiten der Blockchain im Gesundheitswesen und hatte Ende letzten Jahres darum gebeten, Vorschläge einzureichen. Erlaubt war alles, was auf Blockchain-Technologie basiert – außer das Thema Patientenakte, die man angesichts des Debakels rund um die Gesundheitskarte wohl lieber nicht in den Mittelpunkt einer Diskussion rücken wollte. Es wäre auch etwas müßig gewesen, denn gefragt waren ausdrücklich konkrete und in absehbarer Zeit umsetzbare Ideen.

Zukunftswerkstatt in Berlin

Heute fand in Berlin die Zukunftswerkstatt Blockchain des Ministeriums statt, bei der eine Auswahl von Ideen vor einem Expertengremium präsentiert und die besten Skizzen ausgezeichnet wurden. Die Jury bestand aus folgenden Personen:

  • Dr. med. Christina Czeschik (Ärztin, Medizininformatikerin; Serapion Beratung und Fachredaktion)
  • Prof. Dr. Gilbert Fridgen (Gründer und Leitungsmitglied Fraunhofer Blockchain-Labor)
  • Dr. Eberhard Scheuer (Dipl.-Psychologe, Gründer und Vorsitzender der Health Information Traceability Foundation)
  • Prof. Dr. Sylvia Thun (Direktorin für eHealth und Interoperabilität am Berlin Institute of Health, Professorin an der Hochschule Niederrhein)
  • Sebastian Vorberg, LL.M. (Houston) (Vorstandssprecher des Bundesverbandes Internetmedizin)

Ausgewiesene Blockchain-Experten waren in diesem zweifellos hochkarätigen Kreis also eher unterrepräsentiert, was die Auswahl der besten Blockchain-Ideen sicher nicht einfacher gemacht hat.

Ideen-Pitches

Präsentiert wurde eine bunte Mischung an blockchainbasierten Konzepten zur Verbesserung des Gesundheitssystems, unter anderem:

  • Eine Lösung zur Erfassung klinischer Studien für die Arzneimittelzulassung
  • Ein Vorschlag für ein Neuroimplantatregister
  • Ideen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug durch Nachverfolgbarkeit von Rezepten
  • Mehrere Ansätze für das Management von Organspendeprozessen und Einwilligungserklärungen
  • Ein Konzept zur intelligenten Pseudonymisierung von Patientendaten

Gewonnen haben schließlich die folgenden drei Pitches, die von Jens Spahn persönlich ausgezeichnet wurden:

  • Platz 1 – Eine blockchainbasierte Anwendung für den Betäubungsmittelverkehr in Deutschland. Die Idee ist es, die Rezepte für die Ausgabe von Betäubungsmitteln durch Smart Contracts auf einer privaten Blockchain abzubilden und so den Missbrauch von Rezeptformularen zu verhindern.
  • Platz 2 – Eine blockchainbasierte Plattform für das Management von Einwilligungserklärungen. Hierbei sollen in einem modularen Ansatz bestehende Systeme verschiedener Stakeholder eingebunden werden.
  • Platz 3 – Eine Lösung für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf Basis der Blockchain-Technologie und Smart Contracts. Das Ziel der Initiatoren ist es vor allem, Medienbrüche zu vermeiden, um den Prozess zu beschleunigen und Ressourcen zu sparen.

Unser Fazit

Wir sind mit einem positiven Eindruck aus Berlin abgereist: Wir begrüßen es, dass sich das Ministerium mit dem Ideenwettbewerb dafür entschieden hat, das Thema breit anzugehen und sich offen für unterschiedlichste Lösungskonzepte gezeigt hat. Und die sehr gute Resonanz beweist, dass das Thema Blockchain weiter an Bedeutung gewinnt, auch wenn die öffentliche Wahrnehmung manchmal eine andere ist. Viele kluge Köpfe befassen sich mit Distributed Ledger Technologies, und das Niveau der Pitches war insgesamt hoch.

Weniger gut gefallen haben uns die Pitches, die eher aus dem Retortenbaukasten für Blockchain-Ideen stammen: Nachverfolgbarkeit der Lieferkette von Produkt X, Freigabe von Prozess Y, Dokumentation der Transaktion bzw. Einwilligung Z – bei manchen Ideen hatte man fast den Eindruck, dass das Wort Gesundheitswesen mit jeder anderen Branche hätte ausgetauscht werden können: Zu oft schon gehört und viel zu unspezifisch. Denn es ging doch genau darum: Was lässt sich konkret umsetzen – und vor allem: wie? Dieser Aspekt wurde manchmal etwas vernachlässigt, was vielleicht auch an der Kürze der Vortragszeit lag.

Am besten fanden wir persönlich übrigens die Idee der Kliniken der Stadt Köln: Eine blockchainbasierte Lösung im Rettungswesen, die es Notärzten ermöglicht, im Nachhinein ein strukturiertes Feedback ihres Einsatzes zu bekommen, um auf dieser Basis die Qualität der Patientenversorgung kontinuierlich zu verbessern. Die Notärzte erfahren: Hat mein Patient überlebt? War meine Verdachtsdiagnose richtig? Und das komplett anonym, sicher und automatisiert. Leider hat es dieser Pitch nicht in die engere Wahl geschafft, weil das damit gelöste Problem angesichts der Baustellen im Gesundheitswesen als zu wenig relevant beurteilt wurde.

Wenn Sie mehr über die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain in der Gesundheitswirtschaft und zur Zukunftswerkstatt des Bundesgesundheitsministeriums erfahren möchten, kommen Sie doch zu unserem Vortrag beim Blockchain Monday des neu gegründeten Hanseatic Blockchain Institute am 18.03.2019 in Hamburg.



Autor: Martin Breitsprecher
Seit 15 Jahren Gründer, Unternehmer und Berater in der Healthcare- und IT-Branche.