Künstliche Intelligenz und Blockchain: Die Co-Revolution

Hinweis: Dieser Artikel ist in einer leicht angepassten Version am 07.11.2018 auf LEAD veröffentlicht worden (https://www.lead-digital.de/kuenstliche-intelligenz-und-blockchain-eine-chance-fuer-die-kreativbranche/).

KI ist Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts

Die großen US-Technologiefirmen investieren massiv in Künstliche Intelligenz (KI), eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Auch Nationalstaaten wie Russland und China haben KI zu einem zentralen Ziel ihrer Innovationsbestrebungen gemacht. China ist bereits so erfolgreich, dass es in manchen Bereichen amerikanischen Firmen den Rang abläuft (https://www.handelsblatt.com/technik/thespark/technik-der-zukunft-wie-china-bei-der-kuenstlichen-intelligenz-zur-supermacht-aufsteigt/23225468.html). Und Russlands Präsident Putin konstatiert sogar, dass derjenige die Welt beherrscht, der bei KI die Führung übernimmt.  (Putin-Zitat: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Putin-Wer-bei-KI-in-Fuehrung-geht-wird-die-Welt-beherrschen-3821332.html)

Vielleicht hat er Recht, denn die heute bereits realisierten Anwendungen lassen erahnen, dass praktisch alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche durch KI unterstützt und grundlegend verändert werden können.

KI ist heute Realität

Weithin bekannt ist der Einsatz von KI in selbstfahrenden Autos. Hier dürfte Google mit seiner Tochter Waymo (https://waymo.com/) aktuell führend sein.

Allerorten wird daran geforscht, KI in der Medizin einzusetzen, zum Beispiel für schnellere und bessere Früherkennung und Diagnosen von Krankheiten. Bei bestimmten Krebsarten sind KI-Systeme heute schon besser als menschliche Experten (https://www.telegraph.co.uk/news/world/china-watch/technology/artificial-intelligence-in-medicine/).

KI unterstützt auch die Buchhaltung von Unternehmen. Algorithmen erfassen und verbuchen Belege vollautomatisch. Nur außergewöhnliche Geschäftsvorfälle müssen noch von menschlichen Experten bearbeitet werden. Die Zusammenarbeit von Mensch und KI beschleunigt Prozesse und reduziert Fehler (https://www.business.com/articles/ai-and-accounting/).

Und Anwaltskanzleien lassen sich schon bei einer Reihe von Tätigkeiten durch KI-Systeme unterstützen (https://www.techemergence.com/ai-in-law-legal-practice-current-applications/): Dokumentenanalyse in Due-Diligence-Projekten, Prognosen für den Ausgang eines Verfahrens, automatisierte Vertragsgestaltung und viele mehr.  

Die Beispiele zeigen, dass keineswegs nur ‘einfache’ Berufe von Automatisierung betroffen sind. Ärzte, Anwälte, Finanzexperten – sie alle können durch KI mindestens unterstützt oder gar ersetzt werden.

Es werden diejenigen Unternehmen das Rennen machen, die frühzeitig KI in ihre Unternehmensprozesse einbauen, um Kosten zu sparen und bessere Produkte zu entwickeln.

KI benötigt ‘Big Data’

Wenn man heute gemeinhin von ‘KI’ spricht, ist fast immer die Unterdisziplin des ‘Maschinellen Lernens’ (engl. Machine Learning) gemeint. Bei dieser Form von KI werden statistische Modelle mit großen Datenmengen trainiert, Entscheidungen zu treffen. Sie sollen zum Beispiel lernen, richtig einzuschätzen, was auf einem Bild zu sehen ist. Oder sie sollen auch in komplizierten Verkehrssituation die richtigen Entscheidungen beim Führen eines Fahrzeugs treffen.

Zwar muss man für erfolgreiches Machine Learning (ML) auch die richtigen Algorithmen und schnelle Prozessoren verwenden. Der entscheidende Faktor für die Qualität eines KI-Systems ist jedoch die Menge an Trainingsdaten. Je mehr Daten, desto besser die Entscheidungen. Genau das ist der Grund, warum ‘Big Data’ in aller Munde ist.

Unternehmen, die sich mit KI beschäftigen, treten in ein sich selbst verstärkendes System ein: Wer mehr Daten hat, kann seine KI besser trainieren. Wer bessere KI hat, kann bessere Produkte anbieten. Wer bessere Produkte hat, bekommt mehr Kunden. Wer mehr Kunden hat, kann mehr Daten erheben. Und der Kreis beginnt von vorne.

Aus diesem Grund sind die großen Plattformen wie Google, Facebook und Amazon in einer exzellenten Ausgangsposition, um ihre Vormachtstellung in den nächsten Jahren zu festigen und auszubauen. Sie verfügen heute schon über riesige Datenmengen, die sie nutzen, um immer bessere KI-basierte Produkte zu entwickeln.

Die Daten sind in Silos gefangen

Wie können Unternehmen nun in diesen Kreislauf aus Daten, KI, besseren Produkten und mehr Kunden einsteigen?

Als kleines bis mittelgroßes Unternehmen hat man eine begrenzte Datenmenge im eigenen Datensilo und praktisch keine Chance, zu den Großen aufzuholen.

KI-gestützte Innovation könnte wesentlich schneller voranschreiten, wenn Unternehmen ihre Datenbestände zusammenlegen und gemeinsam nutzen könnten.

Bis vor kurzem war das jedoch praktisch unmöglich. Denn einerseits sind meist die technischen Systeme und Datenmodelle untereinander inkompatibel. Noch schwerwiegender sind andererseits die organisatorischen Hürden. Denn wie organisiert man ein Konsortium, das Daten von verschiedenen Parteien verwaltet? Wer bezahlt dafür? Und wer betreibt die Datenbank, in der schließlich alle Daten gespeichert werden? Gegenseitiges Misstrauen der Akteure lässt solche Projekte vielfach scheitern, bevor sie überhaupt gestartet sind.

Blockchain befreit die Daten und macht sie für KI nutzbar

Blockchain-Technologie schafft Lösungsansätze sowohl für die technischen als auch für die organisatorischen Probleme, die entstehen, wenn Organisationen gemeinsam Daten nutzen möchten.

Erstens sind in Blockchain-Netzwerken die Daten in der Regel von den Anwendungen getrennt. Das heißt, jeder Anwender kann eigene Programme erstellen, um mit den Daten zu arbeiten, zum Beispiel um sie für KI-Trainingszwecke zu nutzen.

Im Blockchain-basierten offenen Bitcoin-Netz hat jeder Teilnehmer vollen Zugriff auf alle (pseudonymisierten) Transaktionen. Es steht jedem offen, die Daten zu analysieren oder eine eigene Bitcoin-Banking-Software zu programmieren. Das bisherige zentralisierte Bankensystem verschafft den Banken einen Vorteil, denn nur sie haben einen Überblick über alle Transaktionen.

Als zweite wichtige Neuerung stellt die Blockchain mit Kryptowährungen und Smart Contracts (‘Intelligente Verträge’) nützliche Konzepte bereit, mit denen man Marktplätze für Daten organisieren kann.

Mit Smart Contracts können Daten zwischen Anbietern und Nutzern vollautomatisch gehandelt und mit Kryptowährungen abgerechnet werden. Wer also wertvolle Daten als Input für Machine-Learning-Algorithmen besitzt, kann damit Geld verdienen, auch wenn er die Daten selbst gar nicht nutzt. Eine mögliche Basis-Infrastruktur für solche Daten-Marktplätze wird gerade in Berlin entwickelt. Sie heißt ‘Ocean Protocol’ (https://oceanprotocol.com/).

Und drittens arbeitet die Blockchain-Szene an kryptographischen Verfahren, mit denen Daten verschlüsselt gehandelt und genutzt werden können. Die Idee dahinter: Die KI-Algorithmen ‘reisen’ zu den Daten, werden dort trainiert, zahlen eine Datennutzungsgebühr und kommen verbessert zu ihrem ‘Besitzer’ zurück. Die Datensätze selbst bleiben wo sie sind und müssen nicht durchs offene Internet zu einer gegebenenfalls nicht vertrauenswürdigen Stelle geschickt werden. So können auch hoch sensible Daten genutzt werden, und selbst direkte Wettbewerber können zusammenarbeiten, ohne den genauen Inhalt der Daten offenlegen zu müssen.

Die hierfür nötigen Verfahren sind recht kompliziert und würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wer tiefer einsteigen möchte, kann hier (https://medium.com/@FEhrsam/blockchain-based-machine-learning-marketplaces-cb2d4dae2c17)  beginnen.

Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss jetzt KI einsetzen

Konzepte wie Machine Learning und Blockchain werden als ‘exponentielle Technologien’ bezeichnet, weil sich ihre Weiterentwicklung durch den allgemeinen Fortschritt in der Computertechnologie ständig beschleunigt.

Zudem verstärken sich diese Technologien gegenseitig: Das Internet-of-Things (IoT), also Milliarden ans Internet angeschlossene Sensoren, Fahrzeuge, Gebäude, etc., erzeugt riesige Datenmengen. Die Blockchain ermöglicht es nun, diese Daten wirtschaftlicher und sicherer auszutauschen und zu nutzen. Davon profitiert die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Und das wiederum wird die Geräte im IoT nützlicher machen.

Die Beispiele zeigen, dass diese Revolution längst Teil unseres Alltags ist. Alle Unternehmen müssen sich jetzt intensiv damit beschäftigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.



Autor: Collin Müller
Seit über 20 Jahren Onliner, seit über 10 Jahren in der Kommunikations- und Medienbranche.