Die Blockchain löst den Digitalisierungsstau

Zentrale Systeme sind unsicher und komplex

In vielen Bereichen hat die Digitalisierung enorme Vorteile für Kunden und erhebliche Produktivitätssteigerungen für Unternehmen gebracht.

Einige essenzielle Bereiche unserer gesellschaftlichen Infrastruktur stecken jedoch seit Jahrzehnten im Innovationsstau und sind technisch noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Die digitale Disruption steht aus bei Energie, Gesundheit und Pflege, Verkehr und in vielen anderen Bereichen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

Diese großen Gesellschaftsbereiche versuchen wir seit Jahrzehnten mit zentral organisierten IT-Großprojekten effizienter zu machen. Dieser Top-Down-Ansatz scheitert meist an zwei grundlegenden Problemen: Erstens ist es praktisch unmöglich, zentrale Systeme wirklich sicher zu gestalten. Und zweitens lassen sich komplexe Systeme nur schwer dirigistisch verändern.

In Deutschland zeigt die digitale Gesundheitskarte besonders eindrucksvoll, wie zentrale IT-Großprojekte scheitern. Obwohl die Karte bisher nicht viel mehr als ein Krankenkassen-Mitgliedsausweis ist, hat die Planung schon 14 Jahre gedauert und mehr als eine Milliarde Euro gekostet. Und trotzdem sind sich fast alle Stakeholder im Gesundheitswesen einig, dass sie in ihrer jetzigen Form besser nicht eingeführt werden sollte.

Die Blockchain, also die Technologie hinter Bitcoin, arbeitet dezentral. Deshalb bieten sie und andere sogenannte ‘Distributed Ledger Technologies (DLT)’ vielversprechende Lösungsansätze, um auch große gesellschaftliche Systeme erfolgreich zu digitalisieren, damit sie effizienter, sicherer und besser nutzbar für Bürger und Unternehmen werden.  

Sicherheit in zentralen Systemen praktisch unmöglich

Gerade in öffentlichen Systemen ist Sicherheit oberstes Gebot. Millionen von persönlichen Daten der Bürger oder geheime Informationen zur nationalen Sicherheit müssen vor Angriffen von außen geschützt werden.

Zentrale Systeme bieten lukrative Angriffspunkte für Hacker. Mit einem erfolgreichen Angriff gelangen Kriminelle oder fremde Staaten in den Besitz  großer Datenmengen.

Die Beispiele der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich weder die größten Unternehmen noch die mächtigsten und reichsten Staaten vor Angriffen von Hackern auf ihre IT-Systeme schützen können. Die deutsche Bundesregierung, das amerikanische FBI und Konzerne wie Yahoo! sind Opfer von Hacks. Man muss mittlerweile davon ausgehen, dass jedes zentrale System früher oder später gehackt wird.

Deshalb ist es geradezu unverantwortlich, hochsensible Daten wie militärische Geheiminformationen oder Patientenakten in zentral organisierten Systemen zu speichern und zu verarbeiten.

Blockchains funktionieren dezentral

Blockchain-Technologie arbeitet grundsätzlich dezentral. Richtig eingesetzt gibt es bei Blockchains keine zentralen Angriffspunkte.

Daten werden verteilt gespeichert. Und es gibt keinen Administrator, der mit einem Master-Kennwort auf die gesamte Datenbank zugreifen kann. Folglich gibt es auch keinen zentralen Akteur, auf den sich alle Nutzer einigen müssen und dem alle vertrauen müssen. Jeder Nutzer hat per se die Kontrolle über seine Daten.

Es ist unwirtschaftlich, dezentral organisierte Systeme zu hacken. Wenn ein Hacker in ein Benutzerkonto einbricht, hat er nur Zugriff auf die Daten, die zu diesem Account gehören. Um an Millionen von Datensätzen zu gelangen, müsste man Millionen von Accounts hacken.

Die Blockchain eignet sich also besser als zentrale Systeme, um sensible Daten sicher gemeinsam zu speichern und zu nutzen.

Komplexität verhindert zentral gesteuerte Innovation

Oft scheitert die Digitalisierung jedoch nicht nur an der Sicherheit, sondern daran, dass IT-Großprojekte bisher nur zentral geplant, finanziert und umgesetzt werden konnten. Das heißt, die gesamte Komplexität des zu erstellenden Systems muss bereits im Voraus erfasst und geplant werden. Schon in großen Unternehmen führt das häufig dazu, dass IT-Projekte unüberschaubar werden und nie ihre Ziele erreichen. In der noch komplexeren Gesellschaft außerhalb von klar umrissenen Firmengrenzen potenziert sich dieses Problem. Die bereits erwähnte Gesundheitskarte zeigt, dass große IT-Lösungen entweder nie fertig werden oder schon obsolet sind, wenn sie nach Jahren der Entwicklung eingesetzt werden.

Bitcoin und Ethereum – Evolutionäre Entwicklung in offenen Systemen

Bitcoin ist ein Beispiel dafür, wie komplexe Systeme evolutionär auf Basis offener Protokolle entstehen können. Anfänglich existierte nur eine Beschreibung des Basisprotokolls und einer Referenzimplementierung für eine Bitcoin-Client-Software. Mit dem Programm kann man Bitcoin-Konten verwalten und Mitbetreiber des Bitcoin-Netzwerks (‘Miner’) werden.

Bei Bitcoin gibt es keine zentrale Instanz, die steuert, wer wann welche Anwendung mit welchen Features entwickeln soll. Und dennoch – oder gerade deswegen – ist in einem evolutionären Prozess ein milliardenschweres Ökosystem auf Grundlage des Basisprotokolls entstanden. Es gibt konkurrierende Wallet-Apps zur Zahlungsverwaltung, Online-Börsen und spezialisierte Mining-Software. Die Bitcoin-Blockchain wird mittlerweile auch für Anwendungen verwendet, die nichts mit der ursprünglichen Idee des Geldtransfers zu tun haben.

Ähnlich ist es bei Ethereum, der zweitgrößten Blockchain. Auf der offenen Ethereum-Blockchain erstellen Tausende von Firmen Anwendungen unterschiedlichster Art, die alle zusammenarbeiten können, weil sie die Ethereum-Blockchain und die damit verbundenen Protokolle als gemeinsame Grundlage nutzen.

Blockchain-Ökosysteme für Staat und Gesellschaft

Was Bitcoin für globale Finanztransaktionen vorgemacht hat, lässt sich auf andere wirtschaftliche und öffentliche Felder übertragen. Mit Hilfe von Blockchain-Technologie sollten wir dezentrale Basis-Infrastrukturen aufbauen, zum Beispiel für Gesundheitswesen, Energiewirtschaft, Sicherheitsorgane und Verkehrssysteme. Auf kryptografischen Verfahren beruhende, offene und frei verfügbare Protokolle könnten die Grundlage für Sicherheit und dezentrale Zusammenarbeit schaffen.

Entwickler könnten darauf aufbauend Anwendungen programmieren. Spezifische Lösungen für klar umrissene, kleine Probleme könnten sofort umgesetzt werden, ohne lange auf einen Top-Down-Planungsprozess warten zu müssen. In einem evolutionären Prozess werden sich auch ohne zentrale Steuerung diejenigen Ansätze durchsetzen, die den besten Nutzen bieten. Umfassende Systeme werden sich allmählich aus dem Zusammenspiel vieler kleiner Anwendungen entwickeln.

Im Interesse von Sicherheit und Effizienz sollten Staaten oder supranationale Organisationen die Entwicklung von Blockchain-basierten Protokollen für Kernbereiche der Gesellschaft unterstützen und vorantreiben.



Autor: Collin Müller
Seit über 20 Jahren Onliner, seit über 10 Jahren in der Kommunikations- und Medienbranche.