Mit der Blockchain holen wir uns die Macht zurück

Früher war alles besser

Wer eine E-Mail schreiben möchte, ist nicht gezwungen, eine bestimmte Anwendung zu nutzen. Man kann bei den meisten E-Mail-Konten selbst entscheiden, mit welchem Programm man sie benutzen möchte, zum Beispiel mit Microsoft Outlook, der Mail-App auf dem iPhone oder über die Webseite des E-Mail-Anbieters. Und wenn eine Anwendung nicht mehr gefällt, wechselt man zur nächsten. Die Nutzerdaten, also E-Mails und Kontakte, kann man oft recht problemlos mitnehmen.

Genauso ist es beim Web. Man kann zwischen vielen Browsern wählen, um eine Seite abzurufen: Google Chrome, Apple Safari und viele andere. Und auch bei der Veröffentlichung von Webseiten kann man die Software auswählen, die am besten zu den eigenen Anforderungen passt. Und wieder: die Daten gehören dem Nutzer. Man kann jederzeit von der einen zur anderen App wechseln.

Bei diesen frühen Internet-Anwendungen wie E-Mail und WWW ist nur festgelegt, wie die verschiedenen Programme zusammenarbeiten. Es ist nicht bestimmt, wie genau die Programme aussehen oder gar wie sie ihre Daten speichern müssen.  Diese Festlegung auf eine gemeinsame ‘Sprache’ und einheitliche Abläufe nennt man ein Protokoll.

Offene, frei verfügbare Protokolle machen es möglich, dass die Nutzer entscheiden können, welche Anwendungen am besten zu ihnen passen und wie und wo sie ihre Daten speichern. Es gibt nur wenig Kompatibilitätsprobleme. Und die Dienste funktionieren völlig dezentral – verteilt auf Millionen von Servern und Anbietern.

Mit offenen Protokollen kann jeder Nutzer seinen eigenen ‘Zoo’ von Anwendungen zusammenstellen und einzelne Apps ohne große Probleme austauschen oder den Funktionsumfang selbst erweitern. Die Anwendungen gruppieren sich um die Nutzer. In dieser Welt sind Nutzer mächtig.

Dann kamen die großen Plattformen

Ganz anders sieht das aus bei den großen Plattformen, die wir heute hauptsächlich verwenden. Bei Facebook, Google, Apple Health sind die User ohnmächtig. Hier stehen die Plattformen im Mittelpunkt. Die User scharen sich um sie.

Wenn wir unterschiedliche Dienste nutzen wollen, müssen wir uns jedesmal neu einloggen, die Daten immer wieder neu eingeben. Und man ist verloren, wenn man Daten von einem Dienst zum anderen mitnehmen möchte. Ein Wechsel aus dem Apple-Universum zu Google oder umgekehrt ist mit großem Aufwand verbunden. Die großen Plattformen tun alles, um uns ‘einzusperren’.

Es sind die Nutzer, die auf Facebook allen Content erstellen: Likes, Shares, Posts, Kommentare. Eigentlich müssten sie mit ihren Daten machen können, was sie wollen. Aber Facebook bestimmt alleine, was mit den Inhalten passiert. Und Facebook definiert über seine Webseite und seine App, was man mit dem Content machen kann und was nicht.   

Fairerweise muss man sagen, dass die großen Plattformen die meisten ihrer Funktionen bisher gar nicht anders anbieten konnten. Nicht nur die Geschäftsinteressen der Plattformen sprechen dafür, Anwendungen und Daten miteinander auf einem zentralen Server zu verknüpfen. Es gab auch keine technische Möglichkeit, die Funktion von Facebook, Apple Health oder Amazon dezentral mit offenen Protokollen zu realisieren. Das offene Internet war bisher nicht dafür geeignet, um Transaktionen abzuwickeln, bei denen sich die Partner vertrauen müssen.

Blockchains bringen die Macht zurück zu den Usern

Zusammen mit Bitcoin wurde die Blockchain-Technologie entwickelt. Mit Blockchains lassen sich Daten und Transaktionen sicher dezentral speichern und verarbeiten, ohne dass die beteiligten Parteien einander kennen und vertrauen müssen.

Über das offene Bitcoin-Protokoll werden heute täglich Werte von mehreren Milliarden Euro transferiert, ohne dass eine Bank oder andere zentrale Stelle für Ordnung und Sicherheit sorgen muss. Und wie bei den oben erwähnten offenen Internet-Anwendungen kann jeder Nutzer des Netzwerks frei entscheiden, mit welcher Software er Bitcoins verwalten und transferieren möchte. Und mehr noch: jeder Nutzer könnte selbst zum Mitbetreiber (Miner) des Bitcoin-Protokolls werden, ohne dass jemand die Erlaubnis erteilen müsste.

Blockchains beziehungsweise verwandte Distributed Ledger Technologien (DLT) lassen sich leicht auch auf andere Bereiche übertragen.

Damit ist zum Beispiel ein dezentrales Social Network möglich; nennen wir es de-Facebook. Die Nutzerprofile lägen (verschlüsselt) in einer Blockchain. Und auch die Transaktionen wie Likes, Shares und Kommentare würden ebenfalls verteilt darin gespeichert. Das offene de-Facebook-Protokoll würde festlegen, in welchem Format die Nutzerdaten und Transaktionen in der Blockchain abgelegt werden. Beliebige Anwendungen könnten mit diesen Daten arbeiten, wenn sie sich an das Protokoll halten.

Man wäre nicht gezwungen, mit einer bestimmten App an de-Facebook teilzunehmen. Jeder Nutzer könnte sich, wie bei E-Mail und im Web, sein ganz spezielles Anwendungsportfolio zusammenstellen, um die Daten und Transaktionen genau so zu bearbeiten und zu analysieren, wie er es wünscht.

Die Blockchain macht solche offenen Systeme in fast allen Anwendungsbereichen möglich. Überall können die User sich wieder selbst in den Mittelpunkt rücken und die verlorene Macht zurückgewinnen.



Autor: Collin Müller
Seit über 20 Jahren Onliner, seit über 10 Jahren in der Kommunikations- und Medienbranche.