Amazon, Facebook, Google – Blockchain bietet neue Chance für Unternehmen gegen die großen Plattformen

Das Web war gut für Wettbewerb und freien Handel

Das Web hat in den letzten 20 Jahren dazu geführt, dass alte, verkrustete Strukturen im Handel aufgebrochen wurden. Kunden kommen heute über Online-Plattformen viel leichter und schneller an Produkte und Dienstleistungen. Viele neue Unternehmen konnten erst entstehen, weil sie über digitale Vertriebskanäle einfachen Zugang zu Kunden bekamen, die ihnen anderweitig verschlossen geblieben wären.

Deshalb haben wir heute im Netz ein wesentlich größeres Angebot an Produkten als wir uns vor wenigen Jahren überhaupt vorstellen konnten. Und zahllose Produkte sind heute wesentlich billiger, weil digitale Prozesse Effizienz und globale Beschaffung ermöglicht haben.

Doch der Wachstumsmotor Online-Handel läuft nicht mehr rund …

Große Plattformen kontrollieren bereits das Angebot für Konsumenten

In vielen Märkten haben sich riesige, quasi-monopolistisch agierende Mittelsmänner etabliert, die neuen Wettbewerbern keine Chance lassen.

Wer will es schon als Neuling im e-Commerce mit Amazon aufnehmen? Oder wer würde jetzt noch eine Suchmaschine gegen Google gründen? Oder eine Social-Media-Plattform gegen Facebook und seine Tochterunternehmen?

Vor allem kleine und neue Unternehmen haben vielfach keine Chance mehr gegen die großen Plattformen. Aber auch etablierte Spieler sind der Marktmacht oft nicht gewachsen und werden aus ihren ehemals starken Positionen an den Rand gedrängt.

Als nächstes werden die B2B-Märkte zentralisiert

Der Markt für Güter und Dienstleistungen für Endkunden (B2C – Business to Consumer) ist heute bereits fest in der Hand weniger großer Plattformen.

Aber auch in den B2B-Handel  (B2B – Business to Business) zwischen Unternehmen drängen jetzt die Plattformen. Amazon beliefert längst nicht mehr nur Endkunden sondern hat mit Amazon Business einen eigenen B2B-Marktplatz. Das als Taxi-Service gestartete Uber bietet einen Liefer- und Logistikservice an.

Bald werden also auch die Märkte für den Handel zwischen Unternehmen von großen Plattformen übernommen sein, so dass auch in diesem Segment der freie Markt und die Chancengleichheit gefährdet sind.  

Woran liegt es, dass einzelne große Anbieter globale Märkte kontrollieren können? Und warum ist das ein Problem?

Netzwerkeffekte lassen die Großen  weiter wachsen

Es liegt auf der Hand, dass ein Online-Dienst für Kunden umso attraktiver ist, je größer sein Angebot ist. Bei einem Händler suchen Kunden nach einer möglichst großen Produktpalette. Und eine Social-Media-Plattform ist umso attraktiver,  je mehr andere Nutzer ich dort treffe, mit denen ich chatten und Inhalte tauschen kann.

Außerdem bekommt ein Online-Händler, der viel umsetzt, bessere Einkaufspreise und kann somit auch seinen Kunden die Produkte günstiger anbieten als die Konkurrenz.

Neulinge im Markt stehen vor dem fast unlösbaren Problem, dass sie weder mit einem größeren Angebot noch mit günstigeren Preisen Kunden locken können. Die großen Plattformen bieten also fast immer den attraktivsten Marktplatz für Anbieter und Kunden. Wie schwarze Löcher ziehen sie Anbieter und Nachfrager in ihren Bann und nehmen kontinuierlich an Masse zu.

Zentralisierung behindert freien Marktzugang

Doch nicht nur die offensichtlichen Größenvorteile sind ein Problem für fairen Handel. Die großen Mittelsmänner kontrollieren auch, wer überhaupt am Geschehen auf ihren Plattformen teilnehmen darf.

Einerseits ist es für die meisten Nutzer völlig intransparent, wie eine Plattform Anbieter und Nachfrager zusammenbringt. Niemand weiß, wie der Facebook-Algorithmus Inhalte auswählt und zum individuellen Newsfeed für jeden Nutzer zusammenstellt. Und niemand kann sich wirklich sicher sein, dass bei AirBnB wirklich alle Zimmer fair und gleichberechtigt angeboten werden.

Andererseits nutzen Google, Amazon und viele andere ihre Marktmacht und zwingen Anbieter, sich eine gute Präsentation bei ihnen zu erkaufen. Nur wenn man Werbung bucht, erhält man eine aussichtsreiche Platzierung im Angebot. Die großen Plattformen erheben so praktisch Gebühren für den Marktzugang.

Um Chancengleichheit herzustellen, müsste es für neue Marktteilnehmer möglich sein, sich leicht und ohne Zugangsbeschränkungen einem digitalen Marktplatz anzuschließen. Und Netzwerkeffekte dürften nicht zu einer drastischen Benachteiligung kleiner Marktteilnehmer führen.

Bitcoin hat bereits gezeigt, wie das gehen könnte …

Blockchain-Technologie entmachtet die großen Plattformen

Bitcoin hat es in der Finanzwelt schon vorgemacht. Im dezentralen Bitcoin-Netzwerk sind sichere Geldtransaktionen zwischen völlig fremden Personen ohne Banken möglich. Alle Teilnehmer handeln direkt miteinander. So werden täglich Bitcoin im Wert von über fünf Milliarden Euro bewegt, ohne dass eine zentrale Instanz die Transaktionen kontrollieren muss.

Die Bitcoin-Blockchain stellt sicher, dass alle Transaktionen korrekt und sicher durchgeführt werden.

Und im Gegensatz zum herkömmlichen Bankensystem kann jeder mitmachen, ohne um Erlaubnis fragen zu müssen oder einen Kontoeröffnungsantrag stellen zu müssen.

Blockchain-Technologie kann man jedoch nicht nur für Geldtransfers nutzen. Man kann genauso den Handel von Gütern oder Dienstleistungen über ein Blockchain-Netzwerk dezentral organisieren.

Auf einem Blockchain-Marktplatz melden die Marktteilnehmer ihre Angebote und Gesuche nicht mehr bei einer zentralen Plattform wie zum Beispiel Ebay an. Stattdessen veröffentlichen Verkäufer ihre Produktangebote in einer für alle zugänglichen Blockchain. Und Käufer durchsuchen mithilfe von Apps die Blockchain nach einem passenden Produkt. Kauf und Bezahlung können dann ebenfalls mittels Kryptowährung direkt im Blockchain-Marktplatz abgewickelt werden.  

Alle Marktteilnehmer agieren als gleichberechtigte “Peers”. Es gibt keinen zentralen Intermediär mehr, der bestimmt, wer mit wem handelt, wer welche Angebote sieht und wer welche Preise gezeigt bekommt. Jeder kann direkt mit jedem in Kontakt treten.

Blockchains können also für Chancengleichheit sorgen, weil jeder am Netzwerk teilnehmen darf. Niemand muss um Erlaubnis fragen. Alle spielen nach den gleichen Spielregeln, die öffentlich zugänglich sind, und die Zustimmung der Mehrheit der Teilnehmer ist erforderlich, um sie zu ändern.

OpenBazaar ist ein Peer-to-peer-Marktplatz der diesen Ansatz schon teilweise umsetzt. Der eigentliche Handel verläuft zwar noch nicht über Blockchain-Technologie sondern über andere serverlose Algorithmen. Zahlungen erfolgen jedoch vollständig über Bitcoin.

Durch optionale Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und Verzicht auf zentrale Server oder Zahlungsdienstleister kann jeder auf OpenBazaar praktisch kostenlos und sicher handeln.  

Märkte werden sich schrittweise befreien

Neue dezentrale Märkte leiden natürlich zunächst unter dem Problem, dass sie eine kritische Masse bei attraktiven Angeboten und kaufinteressierten Nachfragern schaffen müssen. Zunächst muss jeder neue Marktplatz gegen die überlegene Größe etablierter Online-Plattformen wie Amazon, Uber oder Ebay ankämpfen. Jeder neue Marktplatz muss mindestens für einige Vorreiter attraktiv sein, um genug Momentum zu entwickeln, dass immer mehr Kunden und Anbieter aus der breiten Masse bereit sind, die neuen Möglichkeiten auszuprobieren.  

Es gibt zwei Bewegungen, die dazu führen könnten, dass sich nach und nach Blockchain-Handelsnetze etablieren.

Das sind zum Einen sogenannte Leap-Frog-Effekte. Dabei würden Produkte und Dienstleistungen, für die heute noch kein Online-Markt besteht, gar nicht erst auf einer zentralen Plattform gehandelt werden, sondern gleich auf eine Blockchain-basierte Lösung setzen. Das könnte zum Beispiel für Nischenprodukte für Sammler oder ganz spezielle Branchen gelten. Denkbar ist aber auch, dass sich in weniger entwickelten Weltregionen gar nicht erst zentralisierte E-Commerce-Märkte bilden, sondern gleich faire und effiziente dezentrale Modelle verwendet werden.

Zum Anderen können heute viele Anbieter auf den zentralen Plattformen mit ihrer strategischen Position nicht zufrieden sein. Für sie wäre es hochattraktiv, ihre Produkte parallel auch in Blockchain-Handelsnetzen anzubieten. Zunächst werden sie dort wenig umsetzen. Ein Ausbau des Geschäfts ist jedoch lohnend, denn sie sparen Transaktionskosten, erhalten volle Transparenz über das Marktgeschehen und können besser beeinflussen, wie ihr Angebot präsentiert wird. Sobald für eine Produktkategorie ein kritische Masse dezentral gehandelt wird, dürfte der konkurrierende zentrale Markt mit all seinen Nachteilen schnell zusammenbrechen.

Für beide Varianten benötigen wir flexible, aber leicht zu bedienende Protokolle, Blockchains und dezentrale Anwendungen. Sobald diese verfügbar sind, wird der klassische, zentrale E-Commerce schnell durch dezentrale Märkte abgelöst werden.



Autor: Collin Müller
Seit über 20 Jahren Onliner, seit über 10 Jahren in der Kommunikations- und Medienbranche.